Antwort auf die Stellungnahme des VfB Gräfenhainichen
Antwort auf die Stellungnahme des VfB Gräfenhainichen 17.09.2025
Sehr geehrter Herr Stockmann, sehr geehrter Vorstand des VfB Gräfenhainichen,
zunächst möchten wir uns für Ihre zeitnahe Reaktion und die veröffentlichte Stellungnahme auf Ihrer Website bedanken. Wir halten es für ein wichtiges und richtiges Zeichen, dass Sie sich als Verein öffentlich und eindeutig gegen Rassismus und jegliche Form von Diskriminierung positionieren – das ist keineswegs selbstverständlich und verdient Anerkennung.
Trotzdem möchten wir auf einige Punkte eingehen, um aus unserer Sicht zur vollständigen Einordnung der Ereignisse beizutragen.
1. Aussage gegen Aussage – aber kein Grund zur Gleichgültigkeit
Wir nehmen zur Kenntnis, dass der beschuldigte Spieler eine Beleidigung eingeräumt hat, diese aber ohne rassistischen Bezug gewesen sei. Selbstverständlich ist uns bewusst, dass es in Fällen wie diesen oft zu einer Situation kommt, in der „Aussage gegen Aussage“ steht.
Doch eines möchten wir klar betonen: Unser Spieler Niklas Mateus war nach dem Spiel sichtlich erschüttert, brach in Tränen aus und äußerte ernsthaft den Gedanken, das Fußballspielen im Nachwuchsbereich aufzugeben. Dies war leider nicht das erste Mal, dass er sich diskriminierenden Äußerungen ausgesetzt sah. Es ist für uns nicht vorstellbar, dass sich ein Jugendlicher einen derart schweren Vorwurf „ausdenkt“ und dann in diesem emotionalen Zustand reagiert – ohne realen Anlass.
Niklas hat im Gespräch mit uns selbstkritisch eingeräumt, nicht sofort zum Schiedsrichter oder seinem Trainer gegangen zu sein. Wie viele andere Betroffene solcher Anfeindungen hat er es zunächst „heruntergeschluckt“ – aus Scham, aus Gewöhnung, aus Angst, nicht ernst genommen zu werden. Das wird in Zukunft nicht mehr so sein: Wir haben als Mannschaft klare Absprachen getroffen, dass in vergleichbaren Situationen das Spiel sofort unterbrochen und das Spielfeld geschlossen verlassen wird.
2. Umgang nach dem Spiel – leider wenig sensibilisiert
Wir nehmen zur Kenntnis, dass Ihr Spieler auf Aufforderung hin das Gespräch gesucht hat. Niklas war in diesem Moment allerdings emotional nicht in der Lage, ein klärendes Gespräch zu führen – was man in Anbetracht der Schwere des Vorfalls nachvollziehen kann.
Was uns jedoch sehr irritiert hat, war das Verhalten einzelner Vertreter Ihres Trainerteams. Unser A-Jugend-Trainer Dirk Zaddach wurde von Ihrem Trainer Herrn Schindler aus der Schiedsrichterkabine verwiesen, als er zusammen mit Niklas den Vorfall beim Schiedsrichter melden wollte. Solche Reaktionen wirken – gerade in einer so sensiblen Situation – weder deeskalierend noch sportlich fair, sondern eher abschreckend.
Darüber hinaus fiel Ihr Trainer kurz nach dem Spiel mit einer ausgesprochen unpassenden Bemerkung auf, als er sinngemäß und lachend äußerte: „Haha, wir haben ja 2:0 gewonnen.“ Angesichts der Ereignisse, die gerade in einem Jugendspiel passiert waren, wäre eine besonnene, respektvolle Haltung deutlich angemessener gewesen.
Als Trainer hat man eine Vorbildrolle, nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. Wir hoffen, dass dies intern ebenso angesprochen wurde.
3. Zuschaueräußerungen – nicht messbar, aber spürbar
Was die Vorfälle auf der Zuschauertribüne betrifft: Wir können selbstverständlich keine objektiven Beweise vorlegen, da uns keine Ton- oder Videoaufnahmen vorliegen. Allerdings hat Niklas deutlich und mehrfach angegeben, auch von außen beleidigt worden zu sein – teilweise ebenfalls mit diskriminierenden Untertönen.
Es ist nachvollziehbar, dass Sie als Verein diese Äußerungen nicht bestätigen können oder wollen. Dennoch halten wir es für wichtig, dass der Blick auch auf das Umfeld gerichtet wird, in dem Jugendfußball stattfindet – auch Zuschauer können durch ihr Verhalten erheblichen Einfluss nehmen. Gerade deshalb wäre es gut, wenn Sie auch an dieser Stelle intern Sensibilität und Aufklärung fördern – präventiv und im Sinne eines respektvollen Miteinanders.
4. Öffentliche Darstellung und Einordnung
Wir verstehen, dass Sie sich durch öffentliche Beiträge pauschalisiert fühlen. Lassen Sie uns klarstellen: Unsere Kritik galt nie dem gesamten Verein oder seiner Struktur, sondern ganz konkret dem Vorfall und dem Verhalten einzelner Personen.
Es war nicht das erste Mal, dass es in einem Spiel mit Beteiligung der NSG Gräfenhainichen zu rassistischen Vorfällen gekommen ist. Bereits im Frühjahr diesen Jahres wurde unser Spieler Erfan bei einem C-Jugend-Spiel (JSG Lutherkicker II gegen NSG Gräfenhainichen in Zschornewitz) rassistisch beleidigt. Auch dieser Vorfall hat uns damals sehr beschäftigt und ist intern deutlich angesprochen worden.
Natürlich sind nicht alle Spieler, Eltern oder Trainer Ihres Vereins betroffen. Aber wenn solche Dinge wiederholt passieren, dann ist es nicht übertrieben, sondern notwendig, öffentlich Position zu beziehen – gerade als Zeichen für alle Jugendlichen, die sich fair und respektvoll verhalten.
5. Gesprächsangebot
Wir begrüßen ausdrücklich Ihr Angebot zu einem persönlichen Gespräch. Unser Spieler Niklas ist ebenfalls bereit, an einem solchen Austausch teilzunehmen, sofern der Rahmen respektvoll und konstruktiv ist. Ihm ist – trotz aller Enttäuschung – an einem sachlichen, sportlich fairen Miteinander gelegen.
Wir möchten jedoch betonen, dass ein solches Gespräch nur unter Einbindung eines neutralen Vertreters des Fußballverbands Sachsen-Anhalt oder des KFV Wittenberg stattfinden sollte. Wir halten es für wichtig, dass hier eine unabhängige Instanz mit am Tisch sitzt, um die Situation transparent, objektiv und zielführend zu begleiten.
Fazit
Wir danken für Ihre Stellungnahme und die Möglichkeit des Dialogs. Gleichzeitig hoffen wir, dass diese Geschehnisse nicht nur einmalig intern behandelt werden, sondern auch langfristig eine Sensibilisierung und einen bewussteren Umgang mit solchen Themen im Nachwuchsfußball zur Folge haben.
Denn eines ist klar: Im Jahr 2025 sollten wir nicht nur im Jugendfußball, sondern generell im gesamten Sport keine Debatten mehr über Rassismus führen müssen. Wir sollten ihn gemeinsam konsequent verhindern.
Mit sportlichen Grüßen
Philipp Giersch
- Vorsitzender SV Reinsdorf e.V.
für die Jugendspielgemeinschaft JSG Lutherkicker, bestehend aus:
– SV Reinsdorf e.V.
– FC Victoria Wittenberg e.V.
– SV Einheit Wittenberg e.V.